Isolatoren in Zeiten von „Industrie 4.0“
Die Reinraumtechnik ist eine Querschnittstechnologie und umfasst über hundert Berufe und Kernkompetenzen. Die Reinraumbranchen unterscheiden sich teilweise gravierend und erfordern spezifisches Knowhow und die Fähigkeit, sich auf die Gegebenheiten und Einflüsse der jeweiligen Branche einzustellen. Die Reinraumtechnik für Reinräume der mechanischen Produktionsbranchen wie z.B. der Mikroelektronik, Elektronik oder Mechatronik, wurde weitestgehend standardisiert.
Die FFU „Filter Fan Unit“ Technologie wurde vor ca. 40 Jahren im Zuge eines Innovationsprozesses im Projekt „Fab oft the Future“ in Deutschland erfunden. Die ursprüngliche Idee war, große Umluftanlagen durch hochflexible Filter-Ventilatormodule zu ersetzen, welche man nach Erreichen des Differenzdruck-Grenzwertes wegwirft und durch neue ersetzt. Die FFU-Technik hat weltweit die Reinraumtechnik revolutioniert und hat die klassische Reinraum-Lüftungstechnik auf die Frischluftversorgung, Klimatisierung und Fortluftabdeckung zurückgestuft. In den Bereichen der Pharmazie, Medizin und BSL-Labore ist die Reinraumtechnik vielfach noch auf konservative Lösungen aufgebaut. Reinräume werden oft auf individuelle und spezifische Anforderungen ausgelegt oder nach Kundenstandards bzw. örtlichen Gepflogenheiten geplant. Der Mut Regelwerke zu interpretieren und moderne sichere Lösungen zu entwickeln ist in der Reinraumbranche, ob Planer, ausführende Unternehmen oder Betreiber nicht besonders ausgeprägt.
Eine Technik, man kann das diese auch als eine Technologie oder technische Philosophie bezeichnen, hat das Potential, diesen großen Markt zu revolutionieren: Die Isolator-Technik. Auch in diesem Falle hat die Mikroelektronik Pionierarbeit geleistet. Waren früher Fertigungsprozesse maßgeblich von der Reinheit im Produktionsumfeld der Prozessanlagen anhängig, so gibt es heute nur mehr Produktionsanlagen, die die Prozesse vollkommen isoliert von der Umgebung sicherstellen. hermetisch geschlossene vollautomatisierte Anlagen mit integrierten Techniken und mit allen Verfahren, die für die Mikrochip Produktion notwendig sind, garantieren höchste Reinheit und Prozesssicherheit.
- Warum Hallen und komplexe Reinräume bauen, wenn es eine Maschine besser kann?
- Isolatoren bieten mehr Sicherheit, erhöhte Produktivität und minimierte Kosten
- Digitalisierung & Automatisierung sind in der Isolator Technik „State-of-the-Art“
Speziell in der Life-Science- und Pharma-Branche sind althergebrachte Regelwerke und Gepflogenheiten noch immer sinnvoll und auch notwendig. Dies vor allem deshalb, weil die Reinraumtechnik noch zu wenig belastbare sichere Lösungen und Alternativen zu bieten hat. Isolatoren und die Möglichkeit kritische Prozesse von der Umgebung zu isolieren, führen zu neuen Denkweisen und Systembewertungen. Die Isolator-Technik ist nicht nur eine Triebfeder für Innovation, Automatisierung und sichere Produktionstechniken, durch die zunehmende Standardisierung wird sie auch variantenreich und kostengünstig.
Standardisierung versus Innovation
Konzerne und Marktführer haben das logische Bestreben, ihre Techniken dem Markt als Standard vorzugeben oder Einfluss auf die Standardisierungs- und Regelwerkprozesse zu nehmen. Standards, vor allem wenn sie zu früh geprägt werden, können Innovationsprozesse behindern. Standards und Stand der Technik bewirken aber auch, dass sich die Kosten massiv senken und die Sicherheit und Stabilität sich gravierend erhöht. Die Kunst liegt darin, Standards zum richtigen Zeitpunkt zu prägen und dabei einen Spielraum für innovative Entwicklung zu schaffen. Wurden in der Vergangenheit Isolator Anlagen vielfach nach individuellen Kundenwünschen gebaut, was in der Regel zu hohen Kosten und langen Projektphasen geführt hat, so ist aktuell ein merkbarer Trend zu Standardanlagen und ausgereiften Katalogprodukten feststellbar. Sicherlich ist der Bedarf an den Fertigungsprozessen angepasste Sonderanlagen noch immer groß, der Einfluss von bewährten Baugruppen, Komponenten und Ausführungsdetails bewirkt aber einen positiven Effekt in Bezug auf die Kosten und vor allem auf die Sicherheit. Besonders erfreulich ist die Entwicklung zu Standardanlagen, die für unterschiedliche Anforderungen, Prozesse und Einsätze geeignet sind. Die Bandbreite zieht sich dabei von sehr komplexen qualitativ hochwertigen Isolatoren bis hin zu einfachen kostengünstigen Anlagen. Diese Entwicklung hat einen gewissen Umdenkprozess bei Nutzern und Anbietern bewirkt.
Die Isolator Technik kann Normen und Richtlinien verändern
Regelwerke kommen mit der technischen Entwicklung oft nicht mit. Zudem werden Vorgaben aus klassischen Reinraum-Konzepten auf Maschinenlösungen angewendet, deren Sinnhaftigkeit oftmals zu hinterfragen ist. So zum Beispiel wird in der Praxis eine vollflächige gleichmäßige laminare Strömung vorgegeben, obwohl die produktberührende Innenkammer und die luftführende Installation geprüft dicht und steril sind. Selbstverständlich sind solche Vorgaben in Sonderfällen und im Falle von entsprechenden Ergebnissen aus Risikoanalyse berechtigt und sinnvoll. Simulationsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass eine vollflächige turbulenzarme Verdrängungsströmung für gewisse Arbeitsprozesse im Schutzmodul kontraproduktiv sein kann. Kaum eine Reinraumfertigung kann durch Risiko- und Gefahrenpotentialanalysen so gut und sicher bewertet und geplant werden wie Isolatoren. Isolatoren bieten das Potential ausgereifte hochsichere Techniken aus anderen Anwendungsfeldern wie z.B. der Luft und Raumfahrt oder der Automobilindustrie oder Verteidigungs- und Waffentechnik u.v.m. erfolgreich anzuwenden. Schlagwörter wie Industrie 4.0 oder Digitalisierung können Fertigungsprozesse automatisieren und bis ins kleinste Detail sicher überwachen und steuern. Der Aufwand für die Planung und Auslegung eines Isolators ist im Verhältnis zum Engineering-Aufwand für ein Raumkonzept mit allen notwendigen Infrastruktursystemen gering. Die Investitionskosten liegen in der Regel weit unter einer Raumlösung.
Isolator Konzepte – Aufbau und Funktion
Sinn eines Isolators ist, den Arbeits- oder Produktionsprozess so klein als möglich und die Sicherheit so groß als möglich zu gestalten.Unabhängig davon, ob es sich um Isolatoren in Form von Sonderlösungen, Clusteranlagen oder kleineren Standardanlagen handelt, bleibt der Aufbau grundsätzlich gleich. Die Unterschiede liegen in den Details der Technik und der Bestückung. Immer wieder muss festgestellt werden, dass es bei Diskussionen und der Auswahl von Isolatoren sehr schnell zu Überbewertungen kommt und der ursprüngliche Zweck in den Hintergrund gelangt. Es muss sich nicht immer um hochtechnische Anlagen handeln, auch einfache, aber sichere Lösungen sind akzeptabel, wenn der Sinn und Zweck erfüllt wird. Sicherlich ist ein Weitblick in die Zukunft ratsam, um den Handlungsspielraum und die zu erwartende Entwicklung abdecken zu können. Eine Übertreibung steht oft einer Neuanschaffung in keiner Relation.
Isolatoren der Zukunft – Industrie 4.0 oder berechtigte Einfachheit
War die Isolator-Technik früher nur auf wenige Hersteller fokussiert, so gibt es heute viele namhafte Hersteller. Positiv erwähnenswert ist, dass sich Firmen mit sehr einfachen und kostengünstigen Lösungen beschäftigen, weil damit einerseits der Markt für solche Lösungen abgedeckt wird und andererseits die Isolator-Technik vermehrt in die Breite gebracht wird. Um jedoch den Pharma- und Life-Science-Markt zu revolutionieren und konservative Regelwerke durch sichere Technik ersetzen zu können, braucht es moderne Technik. Die Industrie, in all ihrer Vielfalt, bietet dafür heute schon alle Verfahren und Techniken. Pharmazeutische Herstellungsprozesse, von Anfang bis zum fertigen Endprodukt, in geschlossenen und vollständig überwachten Anlagensystemen zu realisieren ist heute schon möglich, bedarf aber ein Netzwerk von Menschen, die sich dieser Herausforderung stellen. Ähnlich wie in der Automobilindustrie in den siebziger Jahren, müssen alle Kompetenz- und Entscheidungsträger wie auch Behörden, Wissenschaftler und Lieferanten an visionären Lösungen zusammenarbeiten. Es gilt beispielgebende Referenztechnologien zu realisieren an denen sich der Markt orientieren kann. Die Bandbreite der Innovation ist groß und kann beispielhaft aufgelistet werden.
- QbD – „Quality by Design“ Die moderne Simulationstechnik bietet heute die Möglichkeit, den gesamten Prozess in präzisen, praxisnahen Abläufen darzustellen. Sämtliche Einflussfaktoren können simuliert und daraus Lösungen entwickelt werden. Das RCPE „ Research Center Pharmaceutical Engineering“ in Graz ist eines der Institute, die sich darauf spezialisiert haben.
- Mock up und Ergonomie – Derzeit werden die meisten Isolator-Projekte noch durch manuelle Mock-up-Studien entwickelt. Moderne 3D-Simulationen und Techniken der erweiterten Realität (Augmented Reality) ermöglichen es, das Design sowie die Ergonomie optimal an die idealen Bedürfnisse anzupassen, und das besser als jeder praktische Versuch.
- Strömungs- und Dekontaminationstechnik – Auch hier gibt es mittlerweile hervorragende Simulationstechniken die z.B. turbulenzarme Verdrängungsströmung bestätigen oder für nicht notwendig ausweisen. Diese Entscheidung kann gravierende Auswirkungen auf das Anlagendesign, die Sicherheit und die Kosten haben.
- Messsysteme und Digitalisierung – Wie bereits oben erwähnt, bieten andere Marktsegmente, wie z.B. die Flugzeugtechnik, Raumfahrt, Automobilindustrie usw., nahezu unbegrenzte Anwendungsmöglichkeiten von Komponenten und Techniken, um Prozesse sicherer zu gestalten, Messergebnisse zu generieren und verwertbare Daten zu liefern.
- Automatisierung und Service – Ob Robotertechnik, AMHS (Automatic Material Handling Systems) oder moderne Mechatronik – es gibt keinen Einsatzfall, der nicht durch moderne Technik gelöst werden kann, um Fertigungsprozesse sicherer und schneller zu gestalten. Ein wesentlicher Faktor für die Zukunft ist die Verfügbarkeit der Anlagen sowie die Standzeit der Komponenten. Störungsfreiheit und Wartungszyklen von mehreren Jahren sollten in naher Zukunft zum Stand der Technik gehören.
Diese Themen und viele weitere sind keine unrealistischen, visionären Phantasien; sie sind bereits Realität und können heute umgesetzt werden, teilweise geschieht dies bereits. Es gilt, diese Entwicklung voranzutreiben und Standards zu schaffen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Einfachheit der Anlagen in den Fokus zu rücken und die gesamte Bandbreite zuzulassen.
Isolatoren mit H₂O₂-Begasung
Um einen Isolator optimal zu gestalten, wurde mit wissenschaftlicher Unterstützung ein Berechnungs- und Simulationsprozess initiiert, dessen Ziel es ist, eine optimale Gaseinbringung und Kammerströmung zu ermitteln. In einem Isolator mit einer Wasserstoffperoxid Dekontamination wurde eine Gaseinbringung und die damit verbundene turbulente Strömung mittels CFD-Simulation berechnet. Dabei wurde der Einfluss von Einbauten und Hindernissen (einer „Flexicon“ Abfüllanlage) auf die Strömung ermittelt. Weiters wurde untersucht, welche H2O2-Begasungsströmung sich bei eingeschalteter turbulenzarmer Kolbenströmung im Isolator einstellt, wenn gleichzeitig die Begasung in Betrieb ist. Abschließend wurde die Gasverteilung im Isolator und den angeschlossenen Aggregaten (eine Schleuse und ein Lyophilisator) untersucht und der Effekt von weiteren Düsenanordnung studiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Einbauten und Hindernisse als auch die turbulenzarme Reinluftströmung keinen Einfluss auf die Begasung bzw. das Dekontaminationsergebnis haben.
Hochturbulente Strömungen sind für eine Begasung sinnvoll und empfehlenswert. Die Simulation hat außerdem gezeigt, dass eine laminare Strömung für die Freispülung der mit H₂O₂ kontaminierten Luft ineffizient ist, insbesondere in Nischenbereichen oder verdeckten Zonen, wie z.B. unterhalb der Abfüllanlage oder in Konzentrationsfeldern, die nicht oder nur schlecht durchströmt werden. Für eine Freispülung ist eine turbulente Strömung deutlich effektiver. Unterschiedliche Positionen der Begasungsdüsen zeigen nur einen geringen Einfluss, auch wenn das Isolator-Lüftungssystem eingeschaltet ist. Beispielsweise sind die Konzentrationsfelder nach 60 [s] Begasungszeit für zwei untersuchte Düsenanordnungen miteinander verglichen. Zu erkennen ist, dass für den Fall „a“ in Abbildung die Gaskonzentration in der angebauten Schleuse niedrig ist und sich dies nachteilig auf die Dekontamination in diesem Bereich auswirken wird. Die Simulation „b“ in Abbildung zeigt die Wirksamkeit, wenn in der Schleuse Begasungsdüsen eingebaut sind.
RABS - Restricted Access Barrier System
RABS-Systeme sind teiloffene Isolatoranlagen, die in der Regel mit HEPA gefiltert Luft von oben nach unten durchspült werden. Dies kann oder wird durch fix installierte Deckenluftauslässe mit endständigen HEPA-Filtern oder durch an den RABS-Anlagen aufgesetzten Laminarflow-Anlagen erfolgen. RABS-Anlagen bieten einen guten Produktschutz und ersetzen in vielen Fällen komplexe Insolatoranlagen. Sie liegen in Bezug auf die Gesamtinvestitionskosten und der praktikablen Handhabung zu geschlossenen hochdichten Isolatoren deutlich im Vorteil. Die Betriebskosten für RABS-Anlagen liegen in den meisten Fällen unter den von geschlossenen Anlagen. Aufgrund der offenen Durchströmung des Arbeitsbereiches und dem Strömungsaustritt in den Raum bieten sie keinen verlässlichen Personenschutz. Ein wesentlicher Vorteil von RABS-Systemen liegt jedoch darin, dass Anlagen leicht an prozess- und kundenspezifischen Anforderungen angepasst werden können, bzw. meistens als Sonderlösungen designt und gefertigt werden. Aus diesem Grund ist eine generelle Anlagenstandardisierung kaum möglich oder sinnvoll. Die wichtigsten und kritischsten Komponenten, wie z.B. Handschuhsysteme, Handschuh-Dichtheitsprüfungen, Türsysteme und ergonomische Aspekte, werden aus der Isolatortechnik übernommen.
Weil es sich bei RABS-Systemen in der Regel um Sonderanlagen handelt, ist eine Mock-up Studie immer empfehlenswert. Können geschlossene und hochdichte Isolatoranlagen mit unterschiedlichen vollautomatisierten Dekontaminations- oder Sterilisationssystemen ausgestattet werden, so sind solche Verfahren bei RABS-Anlagen kaum möglich. Der Einfluss von luftgetragenen chemischen oder gasförmigen Substanzen auf das Arbeitsumfeld ist kritisch zu beurteilen und sollte durch eine Risikoanalyse bewertet werden. Ausgenommen von diesen Bedenken sind Situationen, in denen ein ganzer Raum, inklusive der installierten Anlagen und Einrichtungen, dekontaminiert wird. Referenz- und Praxisbeispiele von Reinräumen mit fix installierten Begasungsgeneratoren und automatisierten Dekontaminationsprozessen belegen eine hohe Effizienz und Praktikabilität. Auch eine Raumbegasung mittels mobilen Verdampfungsgeneratoren können die Anforderungen an eine effiziente Dekontamination erfüllen. In den letzten Jahren hat sich die H2O2-Wasserstoffperoxid-Begasung als eines der besten Verfahren etabliert. Dabei ist zu beachten, dass, wenn RABS-Anlagen nicht über ein eigenes Umluft-System verfügen, der gesamte Innenraum der Anlage entsprechend durchströmt bzw. mit H2O2 beaufschlagt wird. In vielen Fällen reicht das Öffnen der Frontscheibe und Türen (sofern vorhanden) aus.